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DFB und das Prinzip der Hoffnung: Genial oder dilletantisch?

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Von: Harald Lange

Hansi Flick
Sein Team soll in den Freundschaftsspielen EM-Euphorie entfachen: Bundestrainer Hansi Flick. © Arne Dedert/dpa

In der neuen DFB-Chefetage setzt man alle Karten auf das „Prinzip Hoffnung“. Rudi Völler, Philipp Lahm, Hans Joachim Watzke und die anderen träumen von einer erfolgreichen EM 2024, einem zweiten Sommermärchen. Kolumnist Harald Lange äußert sich zu dieser Zielsetzung des DFB.

Die Idee ist naiv, aber sie fühlt sich gut an. Vor allem, wenn man es schafft, sich auf dieses „Prinzip Hoffnung“ einzulassen. In dem Fall braucht man tatsächlich keine Antworten auf die Frage, weshalb sich sowohl Fans als auch Basis von der Nationalmannschaft abgewendet haben. Deshalb bin ich gespannt auf die beiden anstehenden Länderspiele am kommenden Samstag und Dienstag. Die Nationalmannschaft kann uns gegen Peru und Belgien zeigen, wie sie zweit- und drittklassige Teams wegputzt und sich für die großen Spiele in der Fußballwelt empfiehlt. Nur dann geht der Wunsch der DFB-Oberen in Erfüllung.

DFB vor Länderspielen: Entfacht die EM-Euphorie?

Das Eis ist dünn, denn kein anderes Team ist so mutig wie der DFB und der Turnierdirektor Philipp Lahm, der in einem Tweet gestern tatsächlich so weit geht und die EM zum Maß aller Dinge erhebt: „Die EURO 2024 steht für den Wandel in der Fußballwelt. Es geht nicht nur um die Organisation eines weiteren Fußballturniers, sondern um ein neues Mindset, welches wieder das Wesentliche in den Mittelpunkt stellt – den Fußball und die Bindekraft dahinter.“

Wer ein gesellschaftliches Mindset verändern will, braucht einen Plan. Und den vermisse ich bei den mächtigen DFB-Oberen. Stattdessen lassen sie sich von einer naiven Hoffnung leiten: Sie wünschen sich Fans, die sich allein vom Erfolg vernebeln und betören lassen. Fans, die allein wegen der erwarteten EM-Stimmung und der ersehnten Neuauflage des Sommermärchens bereit sind, alles was war zu vergessen. Fans, die keine Analyse zur Katar-WM brauchen. Fans, die mit sport- und gesellschaftspolitischen Blankoerklärung leben können und Fans, die dem nichtssagenden Mantra folgen wollen „jetzt geht es allein um den Fußball.“

Ich bin mir nicht sicher, ob man solche Fans noch in nennenswerter Anzahl auftreiben kann. Aber selbst wenn das mögliche wäre, dann braucht es am kommenden Samstag und darauffolgenden Dienstag Erfolge in den beiden ersten Länderspielen des abermals grunderneuerten DFB. Überzeugende Siege und spielerische Aufbruchsstimmung gegen Peru und Belgien sind Pflicht. Ansonsten wird das nichts mit dem frommen Wunsch, dass es in diesem Verband tatsächlich irgendwann nur noch um den Fußball und eine geile Euro 2024 gehen könnte.

Philipp Lahm
Holte 2014 mit dem DFB-Team den WM-Titel: Philipp Lahm. © Matthias Balk/dpa

DFB-Bosse erreichen die Massen mit ihren Parolen nicht

Bislang haben weder Turnierdirektor Philipp Lahm noch DFB-Boss Hans-Joachim Watzke oder Sportdirektor Rudi Völler die Massen mit ihrer schlichten Parole erreichen können. Lediglich 2.500 Fans ließen sich am Montag zum ersten öffentlichen Training der DFB-Elf ins Stadion am Frankfurter Brentanobad locken. Zur Erinnerung: Nach dem WM-Titel 2014 waren es im Düsseldorfer Rheinstadion sagenhafte 40.000 Fans, die sich die öffentlichen Übungseinheiten anschauen wollten. Und selbst 2019, nach der vorletzten WM-Pleite, kamen sage und schreibe noch 30.000 Fans in den Aachener Tivoli, um die Mannschaft und ihren Trainer Joachim Löw bestaunen zu können.

Ich frage deshalb noch vor Spielbeginn danach: Wer organisiert eigentlich die neue Aufbruchsstimmung im DFB? Was ist der Plan B, wenn es Samstag und Dienstag nicht klappen sollte und das Team in der Weltrangliste endgültig in die Zweit- und Drittklassigkeit abrutscht? Ich weiß, solche Fragen kommen gerade nicht gut an im Mindset des neuen DFB. Deshalb mag ich Emre Can, der in der DFB-Pressekonferenz nach dem öffentlichen Training die alternativ- und planlose Vision des DFB auf den Punkt brachte: „Das Feuer muss entfacht werden - und dann spüren die Jungs das auf dem Platz auch. Wenn wir das hinbekommen, können wir hier zuhause in Deutschland eine sehr, sehr erfolgreiche EM spielen.“ Das klingt genauso gut und nichtssagend wie der Satz von Philipp Lahm.

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