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„Dieses weichgespülte Pack!“ – Kolumne über Respekt im Fußball

Erstellt:

Von: Harald Lange

Julian Nagelsmann
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann kommt nach seiner Verbal-Attacke ohne Sperre davon. © Federico Gambarini/dpa

Die Aussagen von Julian Nagelsmann, Trainer von Rekordmeister Bayern München, gegenüber Schiedsrichter Tobias Welz hat unser Kolumnist Harald Lange zum Anlass genommen, um über Respekt im Fußball zu sinnieren.

Im Fußball gibt es enorm viele Lerngelegenheiten. Die Faszination des Spiels garantiert dafür, dass wir uns sowohl als Spielerin und Spieler, als auch als Zuschauer vertiefen und regelrecht verlieren können. In vielen Momenten des Spiels ist die Dramatik derart angespannt, dass wir alles um uns herum vergessen und mit unseren Gedanken und Emotionen vollends im Spiel sind. So sehr, dass wir unter Umständen nur noch unsere Sicht und Meinung im Blick haben und manche auf und neben dem Platz geneigt sind, die Grenzen des guten Geschmacks und respektvollen Umgangs miteinander zu überschreiten. Auch mit schäbigen Sätzen wie dem hier: „Will der mich verarschen? Mein Gott, mein Gott! Dieses weichgespülte Pack!“

„Dieses weichgespülte Pack!“ – Kolumne über Respekt im Fußball

Diese Formulierungen stammen vom Cheftrainer der Bayern, Julian Nagelsmann. Er beleidigte damit nach der Niederlage gegen die bärenstarken Gladbacher die Schiedsrichter der Partie. Nicht im Gespräch unter vier Augen, sondern öffentlich. Auf dem Weg zur Schiedsrichterkabine und in der Mixed Zone vor den sichtlich erstaunten Journalisten.

Wie so oft nach derartigen Grenzüberschreitungen war ein neues Thema für die Auswertung und Diskussion des Bundesligaspieltages gesetzt. Die Rituale sind jedes Mal die gleichen: Nagelsmann entschuldigt sich via Twitter öffentlich, zahlreiche Experten stellen ihn mit diesem Verhalten an den Pranger, der DFB Kontrollausschuss kündigt Ermittlungen an, harte Strafen werden gefordert, Trainerkollegen und Spieler relativieren die Debatte, indem sie auf die besondere Emotionalität des Spiels verweisen und der Chef der Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich lässt keine Zweifel aufkommen, dass die Gilde solche Beleidigungen nicht tolerieren will. Er stuft die „Pack-Aussage“ Nagelsmanns sehr treffend als „abgrundtief respektlos“ ein und zeigt damit der Öffentlichkeit, woran wir alle im Fußball arbeiten müssen: Am Thema Respekt.

Den Frust der Bayern über die Rote Karte und das verlorene Spiel kann jeder nachvollziehen. Ebenso wie die Euphorie und das Glück, dass die Gladbacher Spieler und Fans nach dem Abpfiff erleben durften. Beide Gefühlszustände gehören zu jedem Spiel dazu. Je größer die Freude auf der einen Seite, desto tiefer die Enttäuschung auf der anderen Seite. Nur langweilige Spiele lassen uns kalt und genau die will keiner haben. Deshalb müssen wir uns vor allem in den dramatischen Spielen die Frage nach dem „guten Umgang miteinander“ stellen. Und Julian Nagelsmann muss – wie jeder andere, der einen Schiedsrichter beleidigt – lernen, Respekt zu zeigen. Mehr nicht.

Harald Lange
Universitäts-Professor Harald Lange. © privat

Seine am Spieltag um 18, 43 Uhr auf Twitter veröffentlichte Entschuldigung genügt nicht, denn sie ist nicht mehr als ein flaches Ritual: „Emotionen gehören zum Sport dazu. Und angesichts der Roten Karte musste ich mir nach dem Spiel Luft machen. Allerdings muss ich mich für die Wortwahl gegenüber dem Team rund um Tobias Welz entschuldigen. Da bin ich leider eindeutig zu weit gegangen.“

Nagelsmann hat recht, Emotionen gehören zum Fußball dazu. Das war es dann aber auch. Gerade weil Emotionen dieses Spiel derart unterhaltsam und spannend machen, müssen wir auf und neben dem Fußballplatz das Thema Respekt immer mitdenken. Genau deshalb verbietet es sich, dass sich ein Trainer auf Kosten eines anderen Beteiligten „Luft macht“. Das ist respektlos. Genauso wie der flache Versuch sich noch schnell über Social Media zu entschuldigen. Die vor Journalisten öffentlich ausgesprochene Schiedsrichterbeleidigung im Nachhinein auf eine missglückte Wortwahl reduzieren zu wollen, zeigt, dass Herr Nagelsmann sein Verhalten zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht reflektiert hatte.

Die vom DFB verhängte Strafe wird weder beim Verein, noch beim Trainer einen nennenswerten Lernprozess auf den Weg bringen. Strafen dieser Art sind letztlich auch nur Reflexe und Rituale, die wir im Laufe der Saison sicherlich noch mehrmals miterleben werden. Deshalb sollte sich Julian Nagelsmann nochmal selbst zu Wort melden und Grundlegendes über Respekt sagen. Und dabei sollte es idealerweise nicht nur bei frommen Formulierungen bleiben, sondern er sollte glaubhaft und authentisch zeigen, wie er ganz persönlich daran arbeiten wird, dass der notwendige und wertvolle Respekt im Fußball gesichert wird. Ich meine, das wäre eine tolle Chance für alle Beteiligten und wahrscheinlich weitaus wirksamer als jede Geldstrafe.

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