Der „Wert“-volle Fußball: Wie viel Haltung verträgt der Drang zum Geldverdienen?

Fußball ist in zweierlei Hinsicht enorm wertvoll. In diesem Spiel geht es einerseits um Geld und andererseits um Haltung. Monetäre Werte stehen manchmal im Widerspruch zu ideellen Werten. Deshalb lohnt es sich für Harald Lange, das Verhältnis zum Geld und zur Macht derer, die für den Fußball bezahlen, kritisch zu klären.
Die aktuellen Debatten um den WM – Fußball, die FIFA und den DFB deuten darauf hin, dass wir gegenwärtig ein riesengroßes Problem mit der Haltung und unseren Idealen haben. So stufe ich beispielsweise das Vorgehen des DFB im Zusammenhang mit der so genannten „One-Love-Kapitänsbinde“ als peinlich ein. Wenn man sich – gemeinsam mit anderen Fußballverbänden – dazu entschließt, die Regenbogenbinde durch eine andere zu ersetzen, dann muss man das auch durchziehen. Ansonsten läuft man Gefahr, als Maulheld wahrgenommen zu werden.
Der „Wert“-volle Fußball: Wie viel Haltung verträgt der Drang zum Geldverdienen?
Das Einknicken gegenüber der FIFA ist schwach und beschädigt den Fußball und dessen Ideale. Auch deshalb wenden sich bereits die ersten Sponsoren öffentlichkeitswirksam vom DFB ab. Gestern hatte REWE angekündigt, sein Engagement beim DFB nicht zu verlängern und verzichtet auch auf das Recht, als Sponsor während der WM sichtbar zu sein. Bedauerlich, aber nachvollziehbar: Die fehlende Haltung des DFB kostet inzwischen Geld und wir können davon ausgehen, dass sich daraus eine Negativspirale für den DFB ergeben wird. Es sei denn, man würde in der Chefetage gegensteuern. Das soeben eingereichte juristische Verfahren beim internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne/Schweiz, mit dem man das FIFA-Verbot der Kapitänsbinde nun kippen will, unterstreicht lediglich die moralische Hilflosigkeit des Verbandes.
Moral beweist man anders. Fußballer wissen, dass man zuweilen auch dort hingehen muss, wo es weh tut. Nicht nur beim Kopfballduell im Strafraum, sondern auch beim Riskieren von Gelben Karten, wenn man Haltung zeigt, oder aber eine „liebevolle“ Botschaft in die Welt senden will. Vielleicht rettet ja einer unserer WM Spieler die Ehre des Deutschen Fußballs und setzt heute Abend im Spiel gegen Japan ein unmissverständliches Zeichen. Ein Kniefall, ein origineller Torjubel, eine Geste beim Spielen der Nationalhymne, ein nicht genehmigtes T-Shirt oder klare Worte im Interview. Und vielleicht muss nicht schon wieder Leon Goretzka das moralische Gewissen der Nationalmannschaft sein (…). Warten wir es ab, ich bin zuversichtlich, dass da etwas kommen wird.

Harald Lange: Iran riskiert mehr als eine Gelbe Karte oder WM-Prämien
Fußball ist ein Teamsport. Es geht nur im Miteinander. Sowohl innerhalb unserer Mannschaft als auch in Konkurrenz mit den anderen Teams des Turniers oder der Liga. Deshalb sind Respekt, Wertschätzung und Achtung gegenüber Mit- und Gegenspielern im Fußball unverzichtbar. Ebenso wie Solidarität, Miteinander oder die gleichberechtigte Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn jemand dagegen verstößt und das Spiel auf dem Platz, aber auch neben dem Spielfeld an sich reißt und diktatorisch bestimmen will, nennen wir ihn aus gutem Grund einen „Spielverderber“.
Deshalb gebührt den Leidtragenden solcher Spielverderber unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Als Fußballerinnen und Fußballer ist es unsere Pflicht, für die Rechte derer einzustehen, die benachteiligt oder diskriminiert werden. Nicht nur im Fußball, sondern auch außerhalb des Spielfeldes. Solidarität, Miteinander und Freiheitsrechte sind Werte, deren Bedeutung wir im Sport besonders gut nachvollziehen und verstehen können und deshalb ist es gut, wenn beispielsweise Nationalspieler auch außerhalb des Fußballs Flagge zeigen und sich für die Rechte derer einsetzen, die unterdrückt und gegängelt werden.
Wenn ihr euch nicht traut oder euch schlecht vorbereitet fühlt, schaut euch die Spieler der Mannschaft aus dem Iran an. Die riskieren weitaus mehr als Gelbe Karten oder einbehaltene WM-Prämien. Die Situation in Deutschland ist glücklicherweise eine andere, deshalb muss auch niemand aus dem deutschen Team etwas Heldenhaftes tun. Aber wenn ihr das nächste Mal ankündigt Zeichen setzen zu wollen, überlegt vorher, ob ihr euch das wirklich leisten könnt und wollt.