Fußballfloskeln & Kaffeeklatsch: Völler und Neuendorf im ZDF-Sportstudio

Das ZDF gewährte der DFB-Spitze am Wochenende einen prominenten Auftritt im legendären Sportstudio. Sportwissenschaftler Harald Lange analysiert das Gespräch mit Rudi Völler und Präsident Bernd Neuendorf.
Rudi Völler wurde vom Publikum mit einem wohltuenden Beifall empfangen. Lautstark, nachhaltig und ehrlich. Solch einen euphorischen Empfang hatten wir lange nicht mehr für einen DFB-Offiziellen. Präsident Bernd Neuendorf gefiel es sichtlich, sich im Schatten dieses Applaus sonnen zu können und betonte sogleich treffend, dass sich die Verpflichtung von Völler bereits jetzt für den Verband bezahlt gemacht habe.
Rudi Völler und Bernd Neuendorf im aktuellen Sportstudio
Das war es dann aber auch. Der Rest des Auftritts war inhaltsleerer Kaffeeklatsch. Beeindruckend war allein die Ausdauer des ZDF-Mannes Sven Voss, der nicht müde wurde, immer neue Fragen an die beiden Herren zu richten. Die inhaltliche Zusammenfassung dieses denkwürdigen Gesprächs ist schnell erledigt: Beide verfolgen den Ansatz, dass die A-Nationalmannschaft den gesamten Verband retten und das ramponierte Image wiederherstellen soll. Durch „begeisternden Fußball“. Wie sie sich den vorstellen, was dafür zu tun ist und woher der kommt: Kein einziges Wort.
Die DFB-Spitze hat weder eine Vision für die Zukunft des Deutschen Fußballs, noch eine belastbare Bestandsaufnahme zu den Geschehnissen der zurückliegenden Jahre. Immerhin erklärte DFB-Präsident Neuendorf, man habe ein „strukturelles Defizit“ im Verband. Er bezog sich auf den Finanzhaushalt und kündigte an, dass man künftig in manchen Feldern sparen wolle. Bislang gibt es selbst dazu keinen Plan. Aber eine Aneinanderreihung von inhaltsleeren Floskeln, wie wir sie im deutschen Fußball wohl noch nie erlebt haben.
Entstanden ist ein Floskelbingo zweier sympathischer Männer, die sich rhetorisch gut ergänzen, aber tatsächlich keinen Plan haben. Dafür aber unglaublich viel Mut, sich derart blank in das aktuelle Sportstudio zu setzen. Genau an dieser Stelle liegt deshalb auch der Wert und die Erkenntnis dieses Spitzengesprächs aus dem deutschen Fußball. Die Fußball-Floskel ist schließlich so etwas wie ein Kulturgut in Deutschland. Floskeln muss man nicht erörtern und diskutieren. Sie unterhalten gerade in ihrer nichtssagenden Ironie.
Daher schließe ich meine Kolumne heute mit meiner Top-12-Liste wunderbarer Fußballfloskeln aus dem Auftritt der DFB-Spitze im aktuellen Sportstudio und wünsche gute Unterhaltung:
1. Neuendorf: Rudi Völler weiß vor allen Dingen, (…) „wo das Tor steht.“
2. Völler: „Wir müssen nach vorne schauen.“
3. Neuendorf: „Der Schwerpunkt muss darauf liegen, sportlichen Erfolg zurückzugewinnen.“
4. Völler: „Nur mit Innovationen wird es nicht funktionieren. Auch die Basics müssen funktionieren.“
5. Neuendorf: „Die Ausgaben übersteigen regelmäßig die Einnahmen auch aufgrund der sportlichen Misserfolge.“
6. Völler auf die Frage, wie das mit der Begeisterung gelingen soll: „Auf dem Platz“ durch „tollen Fußball.“
7. Neuendorf über Hansi Flick: „Ich glaube, dass es einige Dinge geben wird, die er ändern wird“, (…) „vielleicht auch neue Spieler ausprobieren.“
8. Völler: „Ich glaube schon, dass wir eine sehr gute Mannschaft haben.“
9. Neuendorf: „Es geht nicht nur um Zeichen oder eine Projektionsfläche für alle gesellschaftlichen Probleme, die wir haben. Der Fußball hat einen Wert an sich.“
10. Völler: „Wir wollen eine tolle EM spielen und die Zuschauer zurückgewinnen. Und ich will helfen, dass Hansi Flick sich nur auf den Fußball konzentrieren kann.“
11. Neuendorf: „Wir müssen konstatieren, dass wir ein strukturelles Defizit haben.“
12. Völler: „Bei einigen Grundtugenden waren uns die Argentinier oder auch die Marokkaner einen Tick voraus.“