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Lise Klaveness: Der internationale Fußball hat endlich ein Vorbild für Führung!

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Prof. Dr. Harald Lange spricht in seiner Kolumne über die norwegische Fußballpräsidentin Lise Klaveness.
Prof. Dr. Harald Lange spricht in seiner Kolumne über die norwegische Fußballpräsidentin Lise Klaveness. © Privat

Diesen Namen werden wir uns merken: Lise Klaveness, 40 Jahre, dreifache Mutter, ehemalige Richterin und Nationalspielerin. Sie ist seit dem 6. März diesen Jahres Präsidentin des Norwegischen Fußballverbandes und seit ihrer ebenso klaren wie kämpferischen Rede am 31. März beim FIFA Kongress in Doha das Gesicht für einen denkbaren Neuanfang im internationalen Fußball-Funktionärszirkus.

Es ist ihr in der nur wenige Minuten dauernden Rede vor der versammelten Führungsmannschaft des Weltfußballs gelungen, ein beeindruckendes Ausrufezeichen zu setzen: „Im Jahr 2010 wurde die Weltmeisterschaft von der Fifa auf inakzeptable Weise und mit inakzeptablen Folgen vergeben. Menschenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie, die Kernanliegen des Fußballs, standen erst viele Jahre später in der Startelf. Diese grundlegenden Rechte wurden vor allem durch Stimmen von außen gefordert. Später hat sich die Fifa mit diesen Themen befasst, aber es ist noch ein weiter Weg zu gehen.“

Lise Klaveness spricht Klartext und zeigt damit, dass sie mutiger ist als alle anderen anwesenden Funktionäre. Der Mut und die Klarheit ihrer Botschaft macht sie zum prägnanten Gegenentwurf des Typus, der in Doha versammelten Clique männlicher Fußballfunktionäre: Sie ist jung, engagiert, hochintelligent und eine durch und durch begeisterte Fußballerin, die auch jahrelang für ihre Nationalmannschaft gespielt hat.

Lise Klaveness: Eine Führungskraft des Fußballs in Europa

Mich beeindruckt in ihrer Rede aber auch der ehrliche Fußballbezug. Gleich einleitend betont sie wie sie als Mädchen täglich gespielt und ihren abgenutzten orangefarbenen Ball überall hin mitgenommen hat. Die sich hier spiegelnde „Liebe zum Fußball“ zeigt uns eindrucksvoll, wie authentisch diese Fußballfunktionärin agiert. Dafür verdient sie allergrößten Respekt: „Ich bin jetzt hier als Norwegens erste weibliche Fußballpräsidentin und spreche in Demut vor Ihnen. Ich nehme den Ball nicht mehr überall mit hin, aber meine Träume drehen sich immer noch um den Fußball. Fußball, bei dem Jungen und Mädchen, alle Hautfarben, Heteros und Queers, einfach alle, mit gleichem Respekt und Anerkennung behandelt werden.“

Die beeindruckende Leidenschaft für das Spiel kombiniert sie mit ihrem Mandat als Präsidentin: Sie folgt mit ihrem kritischen Statement vor allem der Erwartungshaltung der norwegischen Fußballerinnen und Fußballern. Nach dieser Rede ist uns allen klar: Auf dem FIFA-Podium stand gerade eine Führungskraft des europäischen Fußballs, die die Interessen und ethischen Erwartungen ihrer Fußballbasis in Doha vertreten hat. Schließlich geht es auch den fußballinteressierten Menschen in Norwegen bei dieser WM zuallererst um Ethik und Moral. Übrigens, genauso wie denen in Deutschland: Die Mehrheit kann diese WM nicht akzeptieren und empfindet das Herumlavieren mancher Funktionäre als weltfremd und schäbig.

Lise Klaveness besetzt deshalb im weltweiten Funktionärswesen eine wichtige Nische. Sie ist bereit für ethische Überzeugungen einzutreten und auch dorthin zu gehen und das kritische Wort zu ergreifen, wo ihre Haltung eine Außenseiterposition bedeutet. Nicht zuletzt deshalb gilt sie an der Fußballbasis inzwischen als Hoffnungsträgerin für die längst überfällige Neuausrichtung des Internationalen Sports.

Video: Klaveness kritisiert FIFA scharf

Die skandinavische Stiftung Fritt Ord, was übersetzt so viel heiß wie „das freie Wort“, hat die norwegische Fußballpräsidentin deshalb auch zu Recht mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet! Damit würdigt die Stiftung seit 1976 regelmäßig Menschen, die Einsatz für die Redefreiheit und freie Meinung zeigen.

Auch für mich ist Lise Klaveness ein Vorbild in Sachen Führung. In diesen Tagen gibt es viele, die Sätze zu Menschenrechte formulieren. Die Norwegische Präsidentin geht deutlich über die allseits bekannten Floskeln und den unsäglichen „Politikersprech“ hinaus. Im Schatten dieser Frau wirkt die Ankündigung des FIFA Präsidenten Gianni Infantino, er wolle im nächsten Jahr für eine weitere Amtszeit kandidieren, ebenso weltfremd wie peinlich. Ich erwarte das wir gerade für solche Ämter Fußballerinnen und Fußballer mit Haltung gewinnen können. Auf alle anderen können wir getrost verzichten.

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