Die „weiße Karte“ verleiht dem Fairplay Rückenwind

Die portugiesische Schiedsrichterin Catarina Campos hat in der 44. Minute des Pokalspiels der Frauenmannschaften zwischen Benfica und Sporting Lissabon ein kleines Stück Sportgeschichte geschrieben und erstmals im professionellen Fußball die „weiße Karte“ gezückt. Sportwissenschaftler und Kolumnist Harald Lange erhofft sich das auch in Deutschland.
Vor einer Rekordkulisse, denn 15.032 Zuschauer kamen in das Estádio da Luz in Lissabon. Damit hat auch Portugal einen neuen, ansehnlichen Zuschauerrekord im Frauenfußball. Das ist ein schöner Rahmen für die Einführung einer neuen Kartenfarbe im Profifußball. Bislang dominierten dort die Signalfarben gelb und rot, mit denen Schiedrichter Fehlverhalten anzeigen und sanktionieren. Bei der weißen Karte ist das anders.
Die „weiße Karte“ verleiht dem Fairplay Rückenwind
Der portugiesischen Unparteiischen war kein Versehen unterlaufen. Mit der „weißen Karte“ wird in Portugal ethisches Verhalten im Sport gewürdigt und ausgezeichnet. Sofort und spontan. Genau in dem Moment, in dem dieses Verhalten passiert und allen SpielerInnen und Zuschauer unmittelbar im Gedächtnis ist.
In den sozialen Medien kursiert seither ein Video, dass die Szene kurz vor der Halbzeit zeigt. Wir hören den Applaus der Fans und sehen die verdutzten Mannschaftsärzte beider Clubs, als die Schiedsrichterin die weiße Karte in die Höhe hält und auf die versammelten medizinischen Abteilungen zeigt. Die Ärzte beider Teams hatten einem Fan geholfen, der auf der Tribüne bewusstlos geworden war. Selbstverständlich, spontan, unkompliziert und in Teamarbeit. Diese Tat war es wert, mit der weißen Karte gewürdigt zu werden.
Die verdutzen Gesichter der Betroffenen lassen sich nur so erklären, dass ihnen die Karte und deren Bedeutung nicht bekannt war. Aus gutem Grund, denn bislang kam diese Karte nur im Kinder- und Amateurfußball zum Einsatz. Die weiße Karte ist Teil einer staatlichen Initiative in Portugal. Im Rahmen eines „Nationalen Plans für Ethik im Sport“, soll faires und vorbildliches Verhalten von Spielern, aber auch von Trainern und Zuschauern anerkannt und belohnt werden. Es handelt sich um eine sportartenübergreifende Initiative in Portugal, die zunächst im Futsal und 2015 auch im Kinderfußball eingeführt wurde.

Ich meine, das ist eine sehr gute Initiative, die wir übernehmen sollten. Der Schiedsrichter verweist hiermit symbolträchtig auf eine andere Dimension des Sports und kommt mithilfe dieser pädagogischen Karte auch ein stückweit aus der Rolle des mächtigen Unparteiischen heraus, der ausschließlich bestraft und sanktioniert.
Damit wird zwar das Fairplay nicht neu erfunden oder vollends gerettet. Aber es wird ein wohltuender, neuer Akzent ins Spiel gebracht. Die Aufmerksamkeit wird auf Szenen gelenkt, die wir lieben. Wenn einem Mit- oder Gegenspieler geholfen wird, wenn jemand Trost spendet oder einen Regelverstoß selbst zugibt. Bei all diesen Szenen wird uns vor Augen geführt, was der Sport sowohl in der Kreis- als auch in der Bundesliga zu leisten vermag. Genau deshalb sollten wir unsere Kinder dorthin schicken und darauf setzen, dass das Spiel im positiven Sinne erzieht und zur Stärkung der Persönlichkeit beitragen kann.
Auch wenn wir die Idee aus Portugal nicht so eilig übernehmen wollen, halte ich sie für eine gute Sache. Probiert es doch einfach mal in einer Liga auf Kreisebene aus, sammelt Erfahrungen und kommt ins Gespräch über ethisches Verhalten im Sport.