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„Wir sind alle erwachsene Leute“

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Von: Johannes Götze

HFV-Vizepräsident Torsten Becker (links) und HFV-Schatzmeister Ralf Viktora (rechts)
HFV-Vizepräsident Torsten Becker (links) und HFV-Schatzmeister Ralf Viktora (rechts) haben nach dem Rücktritt von Stefan Reuß die Amtsgeschäfte des Präsidenten kommissarisch übernommen. © Memento36

Der Rücktritt von Stefan Reuß zum 30. Juni als Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV) hat für eine außergewöhnliche Situation gesorgt: Vizepräsident Torsten Becker und Schatzmeister Ralf Viktora leiten den Landesverband gemeinsam.

Hat der HFV derzeit zwei oder keinen Präsidenten?

Becker: Wir haben gar keinen Präsidenten, wir haben mit Ralf einen Schatzmeister und mit mir einen Vizepräsidenten. Wir sind beide weiterhin für unsere originären Bereiche zuständig und haben uns Aufgaben aufgeteilt, die zuvor Stefan Reuß als Präsident wahrnahm. Dafür stimmen Ralf und ich uns eng ab.

Viktora: Wir werden auf einer Klausurtagung mit dem gesamten Präsidium die Aufgaben aber noch auf mehrere Schultern verteilen, damit jeder seine Stärken einbringen kann.

Dass ausgerechnet Sie beide gemeinsam die Geschicke des HFV leiten sollen, war nach der unsäglichen DFB-Bundestags-Causa nicht vorstellbar.

Viktora: Dass das Untereinander und Zusammenspiel nicht so funktionierte, wie es sein sollte, ist unbestritten. Aber wir sind erwachsene Leute und stellen uns in den Dienst der Sache. Wir haben uns ausgesprochen und werden gewisse Vorfälle auch noch in naher Zukunft aufarbeiten. Aber wir wollen die Themen in den Vordergrund stellen, was wir auch unseren Vereinen schuldig sind.

Hessischer Fußball-Verband: „Stefan Reuß ein hervorragender Präsident“

Also wurden sich die Hände gereicht?

Becker: Nach dem Rücktritt von Stefan Reuß ist es unsere Aufgabe, den Karren gemeinsam zu ziehen. Wir haben uns abgestimmt und jetzt gehen wir es gemeinsam an.

Was steht ganz oben auf der Agenda?

Viktora: Mit Stefan Reuß hatte der HFV einen hervorragenden Präsidenten, der nicht nur als Präsident, sondern zuvor schon als Schatzmeister zukunftsweisende Themen bewegt und den Verband sehr gut entwickelt hat. Wir möchten das Signal an die Vereine senden, dass wir ein schlagkräftiges Präsidium sind, mit den Aufgaben umgehen können und entsprechend verteilt bekommen. Ein Hauptziel sollte die Struktur- und Gebietsreform sein.

Becker: Ralf hat recht. Der Spielbetrieb muss wieder vermehrt in den Fokus gerückt werden. Aber eine Spielklassenreform ist kein Sprint, sondern ein langfristiges Projekt. Die Maxime ist, den Verband schlank und arbeitsfähig zu machen.

Mal Hand aufs Herz: 32 Fußballkreise in nur 21 hessischen Landkreisen. Das ist doch zu viel.

Viktora: Die kleinen Kreise sind nicht die großen Kostenschlucker. Aber wir haben schon viele kleine Kreise, die erkennen: Es wird mehr Sinn ergeben, wenn wir mit einem größeren Kreis zusammengehen. Und wenn so etwas aus der eigenen Perspektive kommt, ist das am konstruktivsten. Denn wer das selbst erkennt, steht auch dahinter. Und – das wird Torsten bestätigen – wir können auch nicht behaupten, dass wir in den Kreisen einen Überschuss an ehrenamtlichen Mitarbeitern haben. Selbst wenn wir irgendwo zwei Kreise zusammenlegen, würde daraus ein Kreisfußballausschuss mit Unterausschüssen entstehen, bei dem kein Ehrenamtler Bedenken haben muss, nicht mehr gebraucht zu werden.

Aber parallel könnte die Pandemie wieder eine große Rolle spielen – trotzdem sind alle hessische Ligen zum gewohnten Modus mit Hin- und Rückspiel zurückgekehrt.

Becker: Ich bin mir sicher, dass die Rückkehr zu Hin- und Rückspiel ohne geteilte Ligen oder Einfachrunden der Wunsch der Vereine war. Alle sehnen sich nach Normalität. Allerdings müssen wir uns darauf einstellen, dass im Herbst noch einmal etwas auf uns zukommen kann – schon jetzt gehen die Zahlen wieder hoch.

Quotientenregelung weiterhin in HFV-Spielordnung verankert

Und was droht den Vereinen dann?

Becker: Falls es tatsächlich anders kommt und wir eine oder mehrere Ligen nicht regulär zu Ende spielen können, kann es sein, dass wir gezwungenermaßen auf die Quotientenregelung zurückgreifen müssten, die weiterhin in der Spielordnung verankert ist. 

Apropos Spielordnung und Satzung: Zu einem außerordentlichen Verbandstag, um die Reuß-Nachfolge zu regeln, kam es nicht. Da hat der Verband eine Menge Geld gespart.

Viktora: Ein außerordentlicher Verbandstag würde uns zwischen 50.000 und 70.000 Euro kosten. Das ist eine Stange Geld. Geld ist ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang, final wäre dies aber nicht der Showstopper geworden. Denn, wenn wir bei den Absprachen, wie wir uns vorläufig aufstellen, gemerkt hätten, dass es so nicht funktioniert, hätten wir das Geld in die Hand genommen. Wir können ja nicht sagen, dass bis zum nächsten Verbandstag 2024 Stillstand im HFV herrschen soll. Dafür stehen viel zu wichtige Themen an.

Becker: Der HFV ist der viertgrößte Landesverband und ein mittelständisches Unternehmen. Allein das Sporthotel ist eine echte Hausnummer. Für uns ist die jetzige Konstellation Neuland. Falls die Fülle der Aufgaben für das jetzige Team nicht zu bewältigen sind, müssen wir weitere Überlegungen anstellen.

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