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HFV fordert DFB-Kandidaten zu Rücktritt oder Rückzug auf

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HFV-Präsident Stefan Reuß hat zwei seiner Präsidiumsmitglieder die Pistole auf die Brust gesetzt. Foto: Ralph Kraus
HFV-Präsident Stefan Reuß hat zwei seiner Präsidiumsmitglieder die Pistole auf die Brust gesetzt. © Ralph Kraus

Stefan Reuß, Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes, hat den HFV-Präsidiumsmitgliedern Ralf Viktora und Silke Sinning ein Ultimatum gestellt. Dies geht aus einer internen Mail hervor. Der Schatzmeister und die Vorsitzende des Verbandsausschusses für Frauen- und Mädchenfußball sollen ihre Ämter niederlegen, sofern sie beim DFB-Bundestag am 11. März gegen den vom HFV unterstützten DFB-Präsidentschaftskandidaten antreten.

Reuß erwartet spätestens morgen (31. Januar) eine Erklärung der beiden.

In der ersten Kampfabstimmung um den Posten des DFB-Präsidenten wollen Viktora und Sinning dem vom HFV präferierten Team mit Spitzenkandidat Bernd Neuendorf und den Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch und Ronny Zimmermann nicht nur die Gefolgschaft verweigern, sondern unter dem Gegenkandidaten, dem derzeit kommissarischen DFB-Präsidenten Peter Peters, Ämter übernehmen. Viktora ist als Schatzmeister im Gespräch, Sinning als Vizepräsidentin.

Noch im November war man beim HFV als Ergebnis einer Präsidiumssitzung davon ausgegangen, aus den eigenen Reihen würde niemand für ein DFB-Amt kandidieren, egal in welchem Team. Nachdem jedoch im Dezember Peters an Viktora und Sinning herangetreten war, offenbarte Viktoria Reuß sein Ansinnen, dass der HFV-Präsident wenn schon nicht wohlwollend aufnahm, so doch, wie der Inhalt einer Mail an den Verbandsvorstand am 3. Januar nahelegt, als legitim erachtete, auch wenn eine Unterstützung des Neuendorf-Gegenkandidaten durch den HFV selbst freilich nicht erfolgen könne.

Die Fronten verhärteten sich erst nach einem Interview mit Viktora und Sinnig, das am 19. Januar in „Sport Bild“ erschien. Die beiden übten scharfe Kritik am DFB (fehlende Transparenz, zu wenig Geld für die Basis, zu viel Geld für die Ehrenämtler etc.) und erteilten einem Neuanfang mit Rainer Koch eine klare Absage. Koch ist SPD-Parteifreund von Reuß.

Noch am selben Tag versandte der Hessische Fußball-Verband eine Pressemitteilung unter der Überschrift „HFV reagiert mit großem Unverständnis“ und kündigte an, dass weder Präsident Reuß noch Vizepräsident Torsten Becker Sinning und Viktora für DFB-Posten nominieren würden.

Viktora und Sinning stellen sich gegen Koch

Silke Sinning (links) und Ralf Viktora streben Richtung DFB-Präsidium. Fotos: Karl-Heinz Weinzel, HFV
Silke Sinning (links) und Ralf Viktora streben Richtung DFB-Präsidium. © Karl-Heinz Weinzel, HFV

Mehr noch: In einer internen Mail vom 22. Januar (siehe Infokasten) an den Verbandsvorstand setzte Reuß den beiden Abtrünnigen die Pistole auf die Brust: Verzichtet auf eine DFB-Kandidatur oder legt alle Ämter im HFV nieder! Laut Satzung sind beide nicht zu einer Erklärung gezwungen. Beide können nicht einfach aus dem Verband ausgeschlossen werden, sondern müssten an einem außerordentlichen Verbandstag abgewählt werden.

Das Onlineportal Torgranate hakte beim HFV nach, wollte etwa wissen, welche Argumente für die Unterstützung des Teams Neuendorf/Koch gesprochen hätten. Der HFV antworte knapp: „Über interne Vorgänge im Rahmen von Präsidiumssitzungen gibt der HFV generell keine Stellungnahme ab. Der HFV hat sich in der letzten Woche von bestimmten Aussagen von Prof. Dr. Silke Sinning und Ralf Viktora in der Zeitschrift ,Sport Bild‘ distanziert, weil sie nicht die Meinung des Verbandes widerspiegeln. Die Unterstützung von Bernd Neuendorf zur Wahl als DFB-Präsident wurde gemeinschaftlich und nach reiflicher Überlegung getroffen. Es ist eine Stärke, einheitlich als Verband aufzutreten und das wollen wir auch zukünftig tun.“

Noch haben sich nach Informationen von Torgranate weder Viktora noch Sinning gegenüber dem HFV erklärt. Beide waren nicht für für eine Stellungnahme zu erreichen

Auszüge aus der internen Mail an den Verbandsvorstand vom 22. Januar im Wortlaut:

Es wurde immer deutlich, dass grundsätzlich eine Kandidatur von jedem legitim ist, aber die Rahmenbedingungen und die Art und Weise selbst dabei beachtet werden müssen und die jetzt eingetretene Situation inakzeptabel ist. Ich habe in der gestrigen Sitzung deutlich gemacht, dass die jetzige Situation eine enorme Belastung für den Hessischen Fußball-Verband darstellt und dieser medial in ein Licht gerückt wird, was weder akzeptabel, noch hingenommen werden kann.
Daher habe ich Silke Sinning und Ralf Viktora aufgezeigt, dass ich gegenwärtig nur zwei Möglichkeiten sehe, um weiteren Schaden vom und die Isolation des Verbandes im Amateurlager abzuhalten:
a.) Sie verzichten auf das Ansinnen einer Kandidatur
b.) Sie legen ihre Funktionen im Hessischen Fußball-Verband nieder
Verständlicherweise wollten sich beide dazu gestern nicht äußern. Das Präsidium hat beide daher gebeten, bis zum 31. Januar 2022 eine Erklärung dazu abzugeben.

Kommentar von Johannes Götze zur Thematik:

Torgranate-Redakteur Johannes Götze äußert sich kritisch zu dem Ultimatum. Foto: Siggi Larbig
Torgranate-Redakteur Johannes Götze äußert sich kritisch zu dem Ultimatum. © Siggi Larbig

Dass die Mails von HFV-Präsident Stefan Reuß gleich von mehreren Empfängern an unsere Redaktion weitergeleitet oder deren Existenz bestätigt worden ist, kommt nicht von ungefähr. Der Frust ist groß: die Spitze des Verbandes stellt sich gegen verdiente Funktionäre – und öffentlich mag ihr niemand widersprechen. Hinter vorgehaltener Hand wird allerdings Kritik geübt und eifrig diskutiert– vor allem über Demokratieverständnis und Meinungsfreiheit.

Denn Ralf Viktora und Silke Sinning haben sich nichts zu schulden kommen lassen. Beide haben im HFV viel Positives bewirkt, beide wollen nun im DFB etwas bewegen und beim Großreinemachen im krisengeschüttelten Dachverband an vorderster Front kämpfen. Sie sagen, dass dies nur ohne Interimspräsident Rainer Koch funktionieren kann. Sie sprechen ansonsten ausschließlich über Inhalte und haben in keiner Silbe den eigenen Verband diskreditiert. Sie äußern im „Wahlkampf“ ihre Meinung.

Sie wollen nicht für Bernd Neuendorf stimmen, sondern bei Peter Peters mitmachen. Führungskultur entsteht, wenn sich verschiedene Interessen ausgleichen. Wenn ein öffentlicher Diskurs stattfindet und geduldet ist. Hier aber entsteht der Eindruck, dass diejenigen, die abweichend handeln, nicht gewollt sind. Die Abtrünnigen täten gut daran, gar nicht auf das Ultimatum einzugehen, denn diesem fehlt jegliche statutische Grundlage. Dann sind Reuß und Vize Torsten Becker in Zugzwang. Denn einfach rausschmeißen? So leicht ist das nicht. Das entscheidet die Basis bei einem außerordentlichen Verbandstag. Und ein solcher dürfte spannend werden.

Dass sich unsere Redaktion dazu entschied, die vorliegenden Informationen durchzustechen, liegt in der Natur der Sache. Als Journalisten sind wir moralisch und ethisch dazu verpflichtet. Und hätte es dem Ansehen des HFV nicht gut zu Gesicht gestanden, solch tragfähige Nachrichten selbst der Basis, den Vereinen, den Fußballern zu erklären oder diese gar zu Rate zu ziehen, ob sie denn nun lieber Neuendorf oder Peters möchten?

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