1. torgranate
  2. News

Suat Türker: "Köpfe der Spieler erreichen"

Erstellt: Aktualisiert:

Die erste Trainerstation von Ex-Profi Suat Türker war die des Hessenligisten Viktoria Griesheim. Foto: Thomas Zöller
Die erste Trainerstation von Ex-Profi Suat Türker war die des Hessenligisten Viktoria Griesheim. © Thomas Zöller

Als Fußballer war Suat Türker beim VfB Stuttgart Mannschaftskollege von Brasiliens Weltmeister Carlos Dunga. Auf Torejagd ging der 42-Jährige unter anderem für den SC Freiburg, Young Boys Bern und war Publikumsliebling der Offenbacher Kickers. Im Interview mit unserem Portal spricht der 42-Jährige über seine Vergangenheit, die Amtszeit als Trainer beim Hessenligisten Viktoria Griesheim und seine sportlichen Ambitionen in der Zukunft.

Suat, seit Ende Oktober 2017 bist Du nicht mehr Trainer beim Hessenligisten Viktoria Griesheim. Wie hast Du Deine freie Zeit bis heute gestaltet?

Ende letzten Jahres war Rot-Weiss Frankfurt an mir als Nachfolger von Mario Basler interessiert. Das wäre für mich eine reizvolle Aufgabe gewesen. Die hatten großes Interesse an mir, aber nach den geführten Gesprächen wäre das finanziell nicht darstellbar gewesen. Der Hessenliga bin ich weiterhin treu geblieben und habe mir so gut es ging viele Spiele angeschaut. Ich bin aber auch Familienvater und die Zeit genutzt, um abzuschalten und viele private Dinge zu ordnen.

Deine erste Station als Cheftrainer war beim Hessenligisten Viktoria Griesheim. Wie betrachtetst Du die 15 Monate in der Nachschau?

In der Rückrunde 2015/16 schon hatte Angelo Barletta, mit dem ich seit elf Jahren befreundet bin, meine Hilfe in Griesheim gebraucht. Ich habe ihn unterstützt uns so meine ersten Erfahrungen als Co-Trainer gesammelt. Im Sommer habe ich dann die Viktoria komplett übernommen. Die erste Saison war großartig. Wir haben unser Ziel Klassenerhalt geschafft und eine sehr ruhige Saison gehabt. Im zweiten Jahr wurden viele Dinge professionalisiert. Die Strukturen vor allem im Jugendbereich, aber auch technische Dinge wie der Kabinenbereich, wurden aufgebessert. Ich hatte immer den Ehrgeiz, in den Profibereich zu kommen. Auch wenn es meine ersten Schritte als Coach waren, habe ich den Verein ohne große finanziellen Mittel wettbewerbsfähig gemacht. Fehler habe ich auch gemacht, aber ich wollte mich immer verbessern. Ohne das große Verletzungspech habe ich Griesheim ganz sicher zwischen Platz sechs und zwölf gesehen.

Viktoria Griesheim werde ich nie vergessen. Der Verein war meine erste Trainerstation. Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden und sie sind meinen Ideen und Planungen in bester Weise mitgegangen. Ein großes Dankeschön an alle, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben. Es hat mir Riesenspaß gemacht. Griesheim bleibt immer in meinem Herzen. Ich war sehr stolz auf meine Jungs und wir hatten eine tolle Stimmung. Als ich gegangen bin, haben sie mir sofort whatsapp-Nachrichten geschickt und das bedauert. Griesheimer Fans und Mütter und Väter von den Spielern haben sich bei mir bedankt. Da hab` ich wohl schon was hinterlassen. Es haben sich auch viele Hessenliga-Trainerkollegen bei mir gemeldet. Das hat mich sehr bewegt. Dem Verein wünsche ich jedenfalls alles Gute für die Zukunft.

Erfahrungen hast Du jetzt schon als Trainer gesammelt - welches Profil ist heutzutage gefragt?

Ich glaube schon, dass ein Trainer das mental gut beherrschen muss. Er muss die Köpfe der Spieler erreichen. Wenn sie ohne Restzweifel auf den Platz laufen, dann hast Du schon vieles richtig gemacht. Als ich beim VfB Stuttgart war, da hat der Christoph Daum noch lange nicht mit jedem gesprochen. Ich kann mich noch gut an mein erstes Training erinnern. Da hatte ich die Hosen voll. Der Trainer kam kurz auf mich zu und hat gesagt, dass ich den Eike Immel warmschießen soll. Für Informationen an die Mannschaft hat er sich fast ausschließlich an Guido Buchwald gewandt. Der hat dann alles weitergegeben. Auch unter uns Spielern gab es damals eine wahnsinnige Hierarchie. Als 18-Jähriger war ich ja schon froh, wenn mich mal einer der Chefs nach Duschgel fragte. Die Trainer von damals hatten überhaupt keinen Bezug zu den Spielern und ließen auch so gut wie keinen zu Wort kommen. Die Mischung ist wohl entscheidend.

Ein 100 Prozent-Laptoptrainer springt also doch etwas zu kurz?

Es geht natürlich um Taktik und System. Da hat Deutschland das Beste an Ausbildung zu bieten. In der Theorie kann jeder Trainer sein Talent haben. Wenn Du selbst gespielt hast, dann hast Du meiner Meinung nach aber schon einen kleinen Vorteil. Bei Sieg oder Niederlage kannst Du vergleichen, wie das damals in Deiner Zeit als Spieler gewesen ist. Vielleicht kannst Du dann die ein oder andere Idee mehr haben. Vielleicht wirkst Du auch ein stückweit glaubwürdiger auf die Jungs, weil die wissen, was Du als Spieler schon gezeigt hast. Ich bin trotzdem ein großer Fan von Tedesco.

Meine B-Lizenz habe ich in 2013 in Barsinghausen unter anderem mit Julian Nagelsmann gemacht. Klar konnten einige die Theorie besser erklären als ich. Von denen habe ich noch was lernen können. Wichtig ist denke ich, dass man sich nicht auf ein System festlegt und variabel bleibt. Wenn die Abwehrreihe stark ist, dann reicht vielleicht eine Dreierkette, um den Gegner schon im Mittelfeld mit einer Fünferkette zu bearbeiten. Meiner Meinung nach ist wichtig den Jungs beizubringen, wie man in den verschiedenen Systemen spielen kann. Als Trainer ist es wichtig zu schauen, wo die Stärken und die Schwächen bei Deiner Mannschaft liegen. Du kannst keinen Hurra-Fußball wie Lehnerz spielen, wenn Du die Mittel nicht dazu hast. Entscheidend ist, wo Du stehst, und wie Du dann spielen lässt. Variabel in der Denkweise und mit seinen Ideen sein - das halte ich für wichtig.

Wie vorgeprägt ist die Sichtweise eines Trainers, wenn er vorher Vollblutstürmer war?

Es ist spannend, über so eine Frage zu sprechen. Das ist schon unter uns Trainern öfters Thema gewesen. In der Praxis kenne ich viele Fälle, in denen Trainer, die vorher Defensivspieler wie Angelo Barletta waren, offensiver spielen lassen. Das sieht man am Beispiel Alzenau. Die spielen einen überragenden Offensivfußball. Angelo musste als Spieler damals verteidigen und hat gewusst, was die Stürmer besser hätten machen müssen. Das vermittelt er in Alzenau nachweislich sehr gut. Bei mir ist das umgekehrt. Ich musste Tore schießen und wusste vielleicht, was die Verteidiger besser hätten machen können. Das hat man immernoch so gespeichert.

In welcher Liga kannst Du Dir vorstellen, welchen Verein zu trainieren?

Aus meiner Sicht waren die ersten Schritte in der Hessenliga ganz erfolgreich. Ich höre mir gerne alles an. Ob das dann umsetzbar ist, muss man dann entscheiden. Mein Wunsch ist es, in der Hessenliga weiterzumachen. Aber auch die Verbandsliga könnte ich mir vorstellen, wenn die Ziele des Vereins und die finanziellen Mittel stimmen, sich weiterzuentwickeln. Wenn es eine reizvolle Aufgabe wäre, dann würde ich darüber nachdenken. Co-Trainer in der 3. Liga oder Regionalliga wäre für mich bei einer richtig guten Aufgabe auch eine Option und interessant, wenn ich mitarbeiten und mitgestalten würde. Kilometerbeschränkungen gibt es bei mir jedenfalls keine.

Irgendwann bei Kickers Offenbach an der Seitenlinie? Als gefeierter Publikumsliebling hast du dort in 183 Spielen 71 Tore geschossen...

In 2013 habe ich dort meine Fußballkarriere beendet. Der OFC hat mir ein Abschiedsspiel gegen Bayer Leverkusen geschenkt. Danach durfte ich dort nahtlos weitermachen. Die Fußballschule wurde erweitert und verbessert und ich sollte die Leitung übernehmen. Im Management habe ich zusammen mit Manfred Bender zusammengearbeitet. Scouten, Verhandeln, mit Beratern sprechen - von "Manni" habe ich damals viel gelernt. Er ist ein klasse Typ. Dann kam aber die Insolvenz und ich habe meinen Vertrag verloren. Klar wäre das ein kleiner Traum, den OFC zu traineren. Aber dazu brauche ich die UEFA A-Lizenz, die ich erst in 2019 machen werde. In Offenbach habe ich eine Vergangenheit, aber ich bin noch nicht so weit. Als Cheftrainer bräuchte ich vielleicht noch zwei bis drei Jahre.

Auch interessant